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Warum schweigen so viele in Meetings – und warum andere immer sprechen?

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Meetings sind ein fester Bestandteil des Arbeitsalltags. Doch wer kennt nicht die typische Situation: Zehn Menschen sitzen am Tisch, zwei bis drei reden – und der Rest schweigt. Schnell entsteht der Eindruck von Desinteresse. Doch die Psychologie zeigt: Dahinter steckt viel mehr. Schweigen (oder auch Reden) im Meeting hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab – von der Führung, der Teamkultur bis hin zu den Persönlichkeitsstrukturen der Teilnehmenden.


1. Psychologische Sicherheit


Der wohl wichtigste Faktor ist die psychologische Sicherheit. Sie beschreibt das Gefühl, dass man im Team offen sprechen kann – ohne Angst vor Abwertung oder negativen Konsequenzen. Wenn Mitarbeitende fürchten, Fehler oder Kritik könnten ihnen „auf die Füße fallen“, wählen sie lieber das Schweigen. Fehlt psychologische Sicherheit, ist das Meeting zwar voll besetzt, aber gedanklich bleibt ein Großteil stumm.


2. Angst vor Bewertung & Selbstzweifel


Viele halten sich zurück, weil sie denken: „Meine Idee ist nicht ausgereift genug“ oder „Das klingt bestimmt dumm.“ Besonders Perfektionismus, Impostor-Gefühle oder negative Erfahrungen aus der Vergangenheit können dazu führen, dass Menschen ihre Gedanken lieber für sich behalten.


3. Gruppendynamik: Groupthink & Spirale des Schweigens


In Gruppen spielt das Bedürfnis nach Zugehörigkeit eine große Rolle. Wenn alle nicken, will kaum jemand widersprechen. Dieses Phänomen ist bekannt als Groupthink oder auch als Spirale des Schweigens: Die Angst, als Außenseiter dazustehen, hält viele davon ab, ihre Meinung zu äußern.


4. Meetingkultur & Struktur


Auch die Art, wie Meetings organisiert sind, hat Einfluss.

Unklare Ziele, zu viele Teilnehmende oder eine überladene Agenda lassen Stimmen verstummen.

Dominante Persönlichkeiten beanspruchen Redezeit, während ruhigere Kolleg:innen innerlich aussteigen.

Spannend ist auch ein beobachtetes Muster: Wer in den ersten Minuten nichts sagt, fühlt sich unbewusst legitimiert, das gesamte Meeting zu schweigen.


5. Die Rolle der Führung


Führungskräfte prägen die Atmosphäre eines Meetings stärker, als vielen bewusst ist:


Hierarchie-Effekt: Je höher die Hierarchie im Raum, desto größer die Hemmung, frei zu sprechen.


Leadership-Stil: Kontrollierende, bewertende Führung dämpft Beiträge; offene, fragende Führung aktiviert sie.


Vorbildrolle: Wenn Führungskräfte selbst Fragen stellen, Unsicherheiten zeigen und aktiv nach Meinungen fragen, dann steigt die Wahrscheinlichkeit, dass auch andere sich beteiligen. Führungskräfte setzen durch ihr Verhalten den Ton – sowohl bewusst als auch unbewusst.


6. Persönlichkeitsfaktoren


Neben äußeren Rahmenbedingungen beeinflusst auch die individuelle Persönlichkeit das Verhalten im Meeting:


Introversion vs. Extraversion: Extrovertierte Menschen denken beim Reden, Introvertierte beim Schweigen – und brauchen oft mehr Zeit, um Beiträge zu formulieren.


Kommunikationsstile: Manche Menschen sprechen lieber in bilateralen Gesprächen oder schriftlich.


Erfahrungen & Selbstbild: Wer wiederholt erlebt, dass er/sie unterbrochen oder ignoriert wird, beteiligt sich irgendwann gar nicht mehr.


7. Virtuelle Meetings – Verstärker oder Bremse?


Im digitalen Raum verstärken sich diese Mechanismen oft: Kameras sind ausgeschaltet, nonverbale Signale fehlen, die Hemmschwelle steigt. Gleichzeitig können Chat-Funktionen oder digitale Whiteboards auch neue Räume für leise Stimmen öffnen – wenn sie bewusst genutzt werden.


8. Was tun? – Wege zu mehr Beteiligung


Damit Meetings nicht zu einer Einbahnstraße werden, braucht es gezielte Maßnahmen:


  • Psychologische Sicherheit fördern: Wertschätzend reagieren, Fehler als Lernchancen sehen.


  • Struktur geben: Klare Agenda, Moderation, Redezeiten bewusst steuern.


  • Runden einführen: Jede Person erhält Gelegenheit, etwas beizutragen – besonders zu Beginn.


  • Vielfalt der Kanäle nutzen: Neben der mündlichen Diskussion auch Chat, digitale Tools oder kurze schriftliche Inputs einbauen.


  • Reflexion anregen: Teams regelmäßig fragen: „Wie erleben wir unsere Meetings? Wer kommt zu Wort – und wer nicht?“



Fazit: Schweigen in Meetings ist selten ein Zeichen von Desinteresse. Es ist vielmehr das Ergebnis von Teamkultur, Führung, Persönlichkeit und Struktur. Wer die Dynamiken versteht und aktiv gestaltet, kann dafür sorgen, dass aus Schweigen ein Gespräch und aus Meetings echte Zusammenarbeit wird.

 
 
 

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